Auf in die Zukunft
Trotz der immensen Bandbreite an ausgestellten Gitarrenmodellen auf der vergangenen Musikmesse: Die "Birdfish"von Gitarrenbauer Ulrich Teuffel gehörte zu den wirklich außergewöhnlichen Kreationen der Veranstaltung.

Dabei könnte man ihre eigentliche Bestimmung beinahe übersehen. Optisch ähnelt sie fast einem Kunstobjekt, sozusagen mit der Option auf eine freie Wand im New Yorker Museum of Modern Art. Denn die "Birdfish" erinnert von ihrer "Architektur" her stark an den umstrittenen Futurismus der ersten Stratocastermodelle anfang der Fünfziger Jahre. Mit der gleichen Neugier müssen die Messebesucher damals die erstaunlich schlüssige Ergonomie dieser Instrumente bewundert haben.

Wie die Zukunft im Gitarrendesign aussehen wird, können (und wollen) wir zwar nicht voraussagen.Dennoch scheint die Birdfish ein exzellentes Beispiel für die prinzipielle Ausdifferenzierung einer Instrumentengattung zu sein, die ihr Heil augenblicklich nur noch in der Heraufbeschwörung ihres eigenen Ursprungs zu suchen scheint. Der Vintage-Boom der vergangenen Jahre beförderte die Visionäre im Handwerk beinahe aufs Abstellgleis. Eigene Ideen waren kaum gefragt. Wer sich hier noch durchsetzen möchte, muss schon in aller Deutlichkeit Prinzipien auf den Kopf stellen, sollte Mut, Frechheit und vor allem einen langen Atem haben. Von all dem scheint der Neu-Ulmer und studierte Produkt-Designer Ulrich Teuffel genug zu besitzen. Die Birdfish, die er selbst als "Dekonstruktionsmodell" bezeichnet, ist das Ergebnis langjähriger Entwicklungsarbeit. Vorbild waren die prinzipiellen Konstruktions-Bestandteile der Fender Stratocaster - für Ulrich Teuffel ein "ganz großer Wurf, weil die industriellen Fertigungsaspekte mit den musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten perfekt harmonierten". Eine Stratocaster noch zu verbessern, hiesse Eulen nach Athen zu tragen. Daher war für Teuffel die logische Konsequenz, das übermächtige Vorbild erst einmal zu zerstören und in seine "rudimentären" Bausteine zu zerlegen. Die Neukonstruktion und Ausdifferenzierung zu einem völlig neuen Instrument führten zur Birdfish, unserem Testmodell.

Abgesehen vom auffälligen Design, versteht Teuffel, der sich als Autodidakt dem Gitarrenbau näherte, seine Birdfish Gitarre besonders als musikalisches Statement, und nur hierin liegt die Begründung für einen Testbericht. Handling und Sound sollen wie immer die wichtigsten Standbeine für eine Untersuchung sein.

Konstruktion
Auf den ersten Blick besitzt die Birdfish keinen herkömmlichen Korpus, sondern ein vermeintlich wirres Konstrukt aus Metallschienen und verchromten Stützformen. Die allegorisch mit "Bird" und "Fish" bezeichneten Schwungformen bilden das Kernstück der Gitarre. Die Formen-Verwandschaft mit Vorbildern aus der Tierwelt fiel Teuffel eigentlich erst nach der Konstruktion auf und gab dem Instrument schließlich seinen wohlklingenden Namen. Die beiden verchromten Gussteile sollten vor allem haptisch und formal eine sinnvolle Struktur ergeben und die übrigen Bauteile miteinander verbinden. An der vorderen (oder Bird-) Form ist der einteilige Vogelaugen-Ahornhals veschraubt. Der Hals besitzt eine recht flache Wölbung und spielerfreundliche Jumbofrets. Das Griffbrett wurde nach dem Versenken des Halsstabes wieder aufgeleimt. Eine modifizierte Saitenklemme von Schaller sorgt für festen Halt der Saiten. Am hinteren (oder Fish-) Element befinden sich Brücke, Saitenaufhängung und Stimm-Mechanik sowie eine abgerundete "Elektronikdose", welche mit Master-Tone und -Volume, der Buchse und einem Fünffach-Schalter ausgestattet ist. Die Pickups werden von Ulrich Teuffel selbst gewickelt und anschliessend komplett vergossen. Jede Birdfish Gitarre wird mit insgesamt fünf Pickups ausgeliefert, drei Single Coils und zwei Humbuckern mit unterschiedlichen Ausgangsleistungen. Mittels Miniklinkensteckern und einem simplen Schraubverschluß lassen sich die Pickups mühelos von der metallenen Führungsschiene entfernen und somit austauschen. Außerdem können die Pickups auf der Schiene in der Horizontalen verschoben beziehungsweise zueinander verdreht werden. Allein hierdurch werden zahlreiche Klangmodifikationen erreicht. Denn je nach Pickup-Typ oder -Stellung ergeben sich ganz unterschiedliche Ergebnisse. Die beiden dunkelblauen "Röhren" bilden die eigentlichen Resonanzkörper der Birdfish. Es handelt sich um Holzstreifen, die entweder aus Sumpfesche (blaue Lackierung ) oder aus Ahorn (rote Lackierung) gefertigt werden und mittels Schraubverschluss miteinander vertauscht oder kombiniert werden können. Gute Idee. Ganz ohne Resonanzkörper funktionierte jedoch laut Teuffel auch die Birdfish-Konstruktion nicht. Die Teile werden unter Spannung mit den Stützformen verschraubt und erhalten dadurch eine verbesserte Schwingungsübertragung. Die "Ersatzröhren" in alternativer Holzsorte gehören natürlich zum Lieferumfang und ruhen im handgenähten Wildleder-Gigbag in speziellen Fächern auf Abruf. Allein der gepolsterte Gigbag mit Tragegurt ist eine Augenweide und unterstreicht in seiner unmissverständlich edlen sowie handlichen Fertigung das Gesamtkonzept. Sämtliche Schrauben der Birdfish Gitarre können mit einem einzigen Multi-Inbus-Schlüssel gelöst oder gefestigt werden. Angesichts der Austausch-Optionen ein wichtiges Werkzeug.

Sämtliche Arbeiten werden natürlich von Ulrich Teuffel in seiner Neu-Ulmer Werkstatt von Hand ausgeführt. Dementsprechend ist die gesamte Verarbeitungsqualtität vom Allerfeinsten. Sehr geschmackvoll ist auch die Kombination von dem hellen Vogelaugenahornhals mit dem auf Hochglanz poliertem Chrom und den mattblau lackierten Pickups und Resonanzhölzern. Die Ausgewogenheit zwische Formen und Oberflächen verleihen der Birdfish ihren "Kunstwerk"-Charakter.

Handling und Sound
Jetzt wird's spannend. Kann so ein Kunstwerk auch klingen? Auf den Klangbeispielen der beiliegenden Fachblatt CD könnt ihr euch selbst einen Eindruck von solch einem außergewöhnlichem Instrument verschaffen. Zunächst möchte ich allerdings auf das ergonomisch ausgewogene Handling dieser Gitarre eingehen. Auch hier steckt eine Menge Feinarbeit im Detail. Angefangen bei dem unglaublich gut bespielbaren Hals, der aufgrund seiner satten D-Form sehr gut in der Hand liegt und - dank Jumbofrets - mühelos weite Bendings ermöglicht, Iiegt die Gitarre auch am Körper überraschend gut. Der gebogene "Krähenfuß" am vorderen Formstück dient nicht nur als Tragegriff, wenn die Birdfish im Gigbag verstaut liegt, sondern schmiegt sich im Sitzen auch wunderbar auf den Oberschenkel des Spielers. Klasse!

Auch die ausladenden Resonanzkörper hindern den Spieler nicht an seiner Spielfreude. Schwierig ist anfangs lediglich das Erreichen des Fünfwegschalters am unteren Ende der Elektronik-"Dose". Man gewöhnt sich aber schnell daran. Schon ohne Verstärker verrät die Birdfish einiges über ihre Klangeigenschaften. Zwar ertönt das Instrument hier noch sehr leise, aber mit sehr gutem Attack und schneller und spritziger Ansprache. Zum Testaufbau gehört ein alter Marshal JMP lOO mit einer 4 x 12 Box mit Greenback 25 Watt Speakern - eine Kombination, die der Birdfish auf Anhieb absolut gerecht wurde und die außerdem wesentlich bodenständiger anmutet als diese recht exotische Gitarre. Abgenommen habe ich lediglich mit einem Shure SM 57 Mikrophon, ein guter Standard, der leicht nachzuvolIziehen ist. Im Mix wurde aus ästhetischen Gründen ein wenig Hall und Delay hinzugefügt. Obwohl die Birdfish in entfernter AnIehnung an die Fender Stratocaster konstruiert wurde, ist ihr Klangcharakter doch ein ganz anderer. Mal abgesehen von den Zwischenstellungen, die ein wenig an den Urahn erinnern, klingt diese Gitarre wesentlich klarer und offener. Bei cieanen Akkorden könnte man stets meinen, ein zusätzlicher Piezo-Pickup wäre mit im Spiel. Glasklares Attack, unglaublich gute Dynamik und erstaunlich langes Sustain sind die wesentlichen Eigenschaften.

In der Stegposition gefiel mir der kräftigere Humbucker als Solo-Option ausserordentlich, denn dadurch wird der auf leichten Crunch eingestellte Marshall soweit geboostet, dass man weder Kanalumschaltung, noch zusätzliche Fußtreter vermisst. Vor allem die Höhen prägen den Sound, ohne jedoch zu spitz oder zu harsch zu wirken und damit unangenehm den Klang zu verfärben. Die Positionsveränderungen der Pickups bieten Möglichkeiten zur Feinabstimmung, so daß diese Option auch in der Praxis sinnvoll erscheint. Auffälligstes Merkmal ist aber die ureigene "Stimme" cier Birdfish, die dem Spieler automatisch eine ganz spezifische Spielweise entlockt. Der Spieler kommt kaum in Versuchung, Blues-Licks oder gar Punk-Riffs auf der Birdfish zu intonieren. Das Gefühl, mit einem sensiblen "Kunstwerk" zu arbeiten, erzeugt beim Spieler ein Feeling für die passende Spieltechnik. Das war für mich die bemerkenswerteste Erfahrung beim Test Die Klangbeispiele sind daher auch für mich keinesfalIs typisch. Da der Spieler kunstvoll klingen möchte, wird der Dialog mit dem Instrument dramatisch gefördert. Trotz der futuristisch anmutenden Konstruktion, besitzt die Birdfish ein musikalische Seele, die überraschend schneIl Besitz über den Anwender ergreifen kann. Die anfangs angesprochende Ausdifferzierung einer Instrumentengattung kommt einem wieder in den Sinn. Ahnlich wie Parker oder Steinberger begibt sich die Birdfish in musikalische Grenzbereiche, die noch ausgefüllt werden wollen. Und das ist für uns Gitarristen eine beruhigende Aussicht.

Gesamturteil
Die Birdfish Gitarre zählt zu den auffäligsten Neukonstruktionen "Made in Germany". Neben dem kunstvollen und gleichzeitig polarisierenden Design überzeugen vor allem ihre Eigenständigkeit bezüglich Handling und Klang. Ulrich Teuffel beherrscht sein Handwerk in punkto Produktdesign und musikalischer Feinfühligkeit absolut souverän. Ich wünschte mir heutzutage mehr Statements von dieser Reife und Kompromisslosigkeit. Obwohl mal wieder die gute alte Stratocaster Pate stand, entwickeIt der Gitarrenbauer aus Neu-Ulm ein ganz neuen Weg und handeIt ganz kategorisch im Sinne Leo Fenders mit vionärem Blick für die Zukunft - und natürlich die Musik. Jetzt sind die Gitarristen gefragt, die gebotenen Möglichkeiten mit Leben zu füllen. Auf in die Zukunft!

von Udo Pipper


 
Fachblatt 08/1998